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Die fünf inneren Antreiber: Sei perfekt, streng dich an, mach es allen recht, sei schnell, sei stark



Der Zug in uns

Früher gab es bei der Eisenbahn mal einen Beruf, der hieß „Bremser“. Ein Bremser saß oft am Ende eines Zuges im sog. „Bremserhäuschen“ und hatte die Aufgabe, dann die Bremsen zu betätigen, wenn sich der Zug etwa einem Bahnhof näherte. Denn die Lokomotive schaffte das Bremsen nicht alleine, dafür waren die Waggons zu schwer. Würde also der Bremser nicht mitbremsen, bestand die Gefahr, dass der Zug an der Bahnsteigkante mit den dort stehenden Reisenden quietschend vorbeibremst und übers Ziel hinausschießt. Das wäre besonders bei Sackbahnhöfen ein gewisses Problem.

Für mich ist der Bremser eine faszinierende Figur. Er widersetzt sich der Geschwindigkeit, er ist jedoch nicht Widersacher, sondern Korrektiv. Was wir unter Berufsalltag verstehen, gleicht diesem Zug. Der historische und technische Fortschritt prägt auf beängstigende Weise uns selbst, uns, die wir oft Lokomotive sein müssen. Warum beängstigend? Weil die Wirtschaft solche Typen wie „Bremser“ eigentlich nicht mag. Als die Waggons eigene, miteinander verbundene Bremseinheiten bekamen, benötigte man die Bremser nicht mehr. Das, wiederum, gleicht ebenfalls unserem Berufsalltag. Kommunikation und ungebremste Vernetzung setzen unsere seelischen Einsprüche, unsere inneren Bremser, immer mehr außer Kraft, sich dessen zu erwehren.


Ausgleichende Antriebe

Dem inneren Antreiber näher kommen wir, wenn wir einsehen, dass zu JEDER Anforderung ein bremsendes Element gehört, dessen ethisches Pendant „Besonnenheit“ lauten könnte. Der paradoxe Spruch, „wenn’s schnell gehen soll, mach langsam“, fasst zusammen, was die fünf Antreiber benötigen, um sinnvolle Ziele unseres Verhaltens zu bilden: Pünktlichkeit ist die Synthese aus Langsamkeit und Raserei; Souveränität die aus Stärke und Schwäche; Meisterschaft aus Perfektion und Oberflächlichkeit; Gelassenheit die aus Anstrengung und Schlappheit. Der Wunsch, es allen recht zu machen, lässt uns schwanken zwischen dem zweifelhaften Ruf, everybody’s darling zu sein und dem nicht weniger zweifelhaften einer parteilichen Ignoranz.


Aktualität

Die fünf Antreiber in uns haben eines gemeinsam: sie sind internalisierte Tugenden, um die wir uns nicht gerissen haben, aber sie beherrschen uns, wenn wir uns ihrer nicht bewusst sind und sie gezielt einsetzen. Ihre genauen Bezeichnungen unterliegen auch historischem Wandel und sind austauschbar.

Unsere Antreiber sind weder Gesetze noch Gebote, sie sind die Schnittstelle unserer Gesellschaft mit dem Individuum. Sei perfekt, streng dich an, mach es allen recht, sei schnell, sei stark: In anderen Kulturkreisen würden diese inneren Antriebe anders lauten, und es ist sehr die Frage, ob wir sie ändern oder abschaffen können, oder ob wir sie ganz anders differenzieren müssten: Ihre eigene innere Widersprüchlichkeit lädt dazu ein, sie in ihre eigenen Schranken zu weisen. Sei perfekt und schnell: eine gemeinsame Forderung die uns ausbrennen lässt. Sei stark und mach es allen recht: Welche Beispiele sollten dem entsprechen? Ihr Wert liegt nicht darin, ihnen zu gehorchen. Sich mit ihnen auseinandersetzen und sie zu dekonstruieren führt uns zu einer Gelassenheit, diese fünf auch mal gerade sein zu lassen.


Podcastempfehlung

"WORKATION Podcast" mit Annelie & Annika

#08 Wie dich deine inneren Antreiber im (Job)Alltag beeinflussen



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